Im Dorf hat es sich schon herumgesprochen. Zum Ende des Jahres schließt die „Kupferschmiede“. Der Landgasthof wird damit nach 117 Jahren keine Gäste mehr empfangen. Das teilte Inhaberin Gudrun Straub und ihr Mann im Gespräch mit dem Kreis-Anzeiger mit. Damit steht ein großer, eindrucksvoller Gebäudekomplex an prominenter Lage in der Ortsmitte Rainrods demnächst leer.
Von Stefan Weil
Ein Anblick, an den sich die Einwohner des größten Schottener Stadtteils erst gewöhnen müssen. Auch im etwas versteckt an der Nidda liegenden „Vulkangartens“ wird es im kommenden Jahr kein Leben mehr geben.

Die Schließung der Kupferschmiede reißt ein weiteres Loch in die Schottener Hotelier- und Gastronomieszene. Erst vor zwei Jahren hatte das Landhaus Appel in Betzenrod den Betrieb eingestellt. Das Anwesen wurde – aus Altersgründen – verkauft. Jetzt haben hier geflüchtete Menschen aus unterschiedlichen Ländern einen temporären Lebensmittelpunkt erhalten. Zudem ist die Zukunft des Parkhotels in Schottens Stadtmitte ungewiss. Der Eigentümer hatte kürzlich mitgeteilt, dass die Weiterführung des Hauses offen sei.
Die „Kupferschmiede“ ist ein typischer Familienbetrieb, so wie es Gudrun Straub und ihr Mann Joachim Bär erläutern. „Wir waren täglich von morgens bis abends für unsere Gäste da.“ Das Hotel war geschätzt. Zahlreiche Stammgäste aus allen Teilen Deutschlands oder aus dem benachbarten Ausland verbrachten hier immer wieder entspannende Tage. Die schöne Natur, der nahe Stausee oder der Hoherodskopf mit seinen Attraktionen lockten zum Wiederkommen, vor allem aber die gastliche Atmosphäre in der „Kupferschmiede“.
Im vergangenen Jahr traf ein schwerer Schicksalsschlag die Familie. Gudrun Straubs Schwester Ute verstarb plötzlich. „Sie war meine engste Mitarbeiterin und Vertraute. Wir waren ein bestens eingespieltes Team. Da bedurfte es kaum Worte, um den Betrieb zu managen“, sagt Gudrun Straub. Von ihrer Kindheit an waren die beiden Schwestern mit dem Hotel- und Restaurantbetrieb vertraut. Ihre Eltern Hans und Gertrud führten das Haus von 1949 bis 1997 – mit großem Bekanntheitsgrad in der Region bis Friedberg und Gießen. Vor 27 Jahren übernahm Gudrun Straub die Leitung des Betriebes, unterstützt von ihrer Familie und einem – teils langjährigen – Mitarbeiterteam.
Über Mangel an Gästen brauchten sie sich nicht zu beklagen. Urlauber und Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung gaben sich quasi die Klinke in die Hand. Teilweise mehrere Stammtische feierten ihre Treffen in den beiden großen Gasträumen. Unzählige Familienfeste und Weihnachtsfeiern wurden abgehalten. „Wir haben im Lauf der Jahre viele nette Menschen kennengelernt“, erinnert sich Joachim Bär.

Im Zuge der touristischen Anstrengungen durch die Stadt Schotten und eigener gezielter Werbemaßnahmen wurde die „Kupferschmiede“ auch zu einem beliebten Anziehungspunkt für Wanderer, Motorradfahrer und Fahrradfahrer, die den Vogelsberg als attraktive Region zunehmend erkundeten. Der Nidda-Radweg führt direkt an der „Kupferschmiede“ vorbei. Das einladende Haus mit der großzügigen Terrasse lockte immer zu einem Zwischenstopp. Eine weitere Attraktion war der Vulkangarten, der 2012 eröffnet wurde und sich zu einem wahren Kleinod entwickelt hat.
Die fast 120-jährige Familientradition reicht bis in den Beginn des vorigen Jahrhunderts zurück. 1907 eröffnete Gudruns Straubs Urgroßvater die Gastwirtschaft. Als eines von fünf größeren Häusern in der Großgemeinde war die „Kupferschmiede“ bisher eine der tragenden Stützen im Konzept der Tourismus-Förderung Schottens.
Das wird in einigen Tagen, Mitte Dezember, ein Ende finden. Gudrun Straub und ihrem Mann Joachim ist anzumerken, dass ihnen diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist. „Als wir kürzlich Stammgästen aus der Schweiz und aus Hannover verkündet haben, dass wir schließen, hatten die Menschen, die mehr als 30 Jahre zu uns kamen, Tränen in den Augen. Das hat uns sehr bewegt.“
Andererseits sind sie sich einig, dass es mit der derzeitigen Situation in den kommenden Jahren nicht weitergehen kann. Nach dem schweren Einschnitt vor rund einem Jahr hatten Gudrun Straub und ihr Familie überlegt, das Haus als Hotel-Garni weiterzuführen. „Das ist aber nicht mein Ding“, sagt Gudrun Straub. So wurde der Hotelbetrieb weitergeführt, den Gästen Frühstück und auch eine weitere Verköstigung angeboten. Der Restaurantbetrieb wurde eingeschränkt. Geöffnet war nur noch an bestimmten Tagen und zu besonderen Anlässen. Auch Gruppen fanden weiterhin Platz. „Es wird immer schwerer, geeignetes Personal zu finden, das auch mal selbstständig arbeiten kann,“ betont die Inhaberin. Und nicht zuletzt habe sie als 64-Jährige ein Alter erreicht, wo ein Kürzertreten sinnvoll sei.

Verkaufsangebot
Da sich keine familiäre Nachfolge ergeben hat, steht der Landgasthof „Kupferschmiede“, der auch über zwei Wohnungen verfügt, seit geraumer Zeit zum Verkauf. „Trotz intensiver Bemühungen hat sich leider noch nichts ergeben. Wir haben alles in Bewegung gesetzt. Das ist sehr schade“, bedauern Gudrun Straub und Joachim Bär. Denn für den Tourismus seien Gasthäuser und Hotels sehr wichtig. Und für die Menschen im Dorf und in der Umgebung, auch wenn Gasthäuser nicht mehr die Treffpunkte wie in früheren Zeiten seien. Am 15. Dezember hat die „Kupferschmiede“ nach 117 Jahren letztmals offiziell geöffnet. Bereits vorgenommene Buchungen für einen späteren Zeitpunkt werden noch erfüllt.